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Dienstag, 14. April 2015

10 Irrtümer nach der Trennung


1. Die Kinder bekommen von dem Streit nichts mit
Viele gehen fest davon aus, dass sie den Trennungsstreit von ihren Kindern fernhalten können. Sie glauben, die Kinder sind zu klein, um das zu realisieren. Bereits mit etwa drei Monaten können Kinder nicht nur mit den Händen, mit ihrer Gestik und Mimik ausdrücken, was sie wollen, sie können auch selbiges sehr gut lesen und verstehen. Je älter sie werden, desto mehr verstehen sie. Ein Beispiel hierfür möchte ich anhand meiner Tochter aufzeigen: Vor Kurzem nahm sie sich meine Schuhputzbürste aus dem Schuhschrank. Ich sagte zu ihr: "Schatz, leg das bitte wieder dort hin, wo du es herhast!" Daraufhin ging sie los und legte sie an genau denselben Platz, an dem sie sie gefunden hat. Sie ist 1 1/2 Jahre alt. Sie versteht also sehr gut, was ich von ihr möchte. So bekommen Kinder sehr früh und ganz genau mit, was um sie herum geschieht. Auch wenn sie Gespräche nicht direkt mit anhören, unsere eigene Gestik und Mimik verrät ihnen sehr deutlich, was in uns vorgeht, selbst wenn wir versuchen, dies zu überspielen.

2. Was das Kind sagt, das will es auch
Oft lese ich Sätze wie: "Mein Kind sagt ja selbst 'Ich will nicht zu Mama/Papa.' Warum sollte ich es dann dazu zwingen?" Dabei wird vergessen, dass sich so ziemlich jedes Kind in einem Loyalitätskonflikt befindet, wenn die Eltern sich trennen. Mehr noch, wenn sie dazu auch noch streiten. Kinder sagen dann sehr oft Dinge, von denen sie glauben, dass Mama/Papa sie gerne hören möchte. Mein Sohn sagt jedes Mal, dass er lieber noch bei mir bleiben möchte und nicht zu Mama will. Er freut sich aber jedes Mal, wenn er dann bei der Mama ist, denn eigentlich vermisst er seine Mama, wenn er bei mir ist. Genauso sehr, wie er mich vermisst, wenn er bei ihr ist.

3. Die Kinder haben eine engere Bindung zur Mutter per Geburt
Viele sind der Ansicht, dass Mütter und Kinder eine ganz besonders enge Bindung zueinander haben. Eine, die viel "stärker" und vor allem "wichtiger" ist als die zwischen Vater und Kind. Auch hier wird ein Denkfehler begangen. Ich habe erst mehrere Monate nach der Geburt unserer Tochter wirklich Zeit mit ihr verbringen können. Aber wir hatten sofort eine Bindung, einen Draht zueinander. Eine Verbindung, die so tief und innig ist, wie sie es auch bei ihrer Mutter ist. Ja, oft haben Väter und Kinder eine Bindung, die sich vielleicht anders äußert als bei der Mutter, sie ist aber keineswegs geringer oder weniger wichtig.

4. Das Kind braucht einen festen Lebensmittelpunkt
Der feste Lebensmittelpunkt ist wohl der Klassiker unter den Argumenten gegen geteilte Betreuung der Kinder. Logisch betrachtet ist das Ganze aber eine Erfindung der Neuzeit. Über Jahrtausende hinweg wurden Kinder, in so gut wie jeder Kultur, von verschiedenen Personen betreut. Mal hat die Familie auf die Kinder achtgegeben, mal die Nachbarn oder größere Kinder auf die Kleineren. Den sogenannten festen Lebensmittelpunkt gibt es erst seit knapp 150 Jahren. Aus den Zeiten, in denen Kinder von den verschiedensten Personen betreut wurden, sind im Übrigen einige der größten Denker, Schriftsteller, Musiker und Künstler unserer Geschichte hervorgegangen. Auch aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Konzept des festen Lebensmittelpunktes nicht ganz richtig ist. Ich selbst wurde von Tagesmüttern, Großeltern und anderen ebenso großgezogen wie von meiner Mutter. Auch meine eigenen Kinder leben mit mir in der Doppelresidenz und sie wachsen glücklich und behütet auf.

5. Residenzmodell/Doppelresidenz als Pauschallösung
Im Anschluss an den letzten Irrtum sei aber auch gesagt, dass weder das Residenzmodell noch die Doppelresidenz eine Pauschallösung darstellen. Jede Trennungsfamilie muss ihr eigenes Modell finden. Die Doppelresidenz wäre allerdings eine faire, rechtliche Grundlage, von der aus man sich zu dem für das Kind am besten geeignete Modell bewegen kann.

6. Familienberatung/Therapie ist dasselbe wie Mediation
Viele Eltern gehen nach den Trennungen zur Familienberatungsstelle oder zur Familientherapie. Das ist natürlich nicht per se verkehrt, aber viele verwechseln dies mit Mediation. In der Familienberatung sind meist Sachbearbeiter tätig, die zwar kompetent sein mögen, aber meist wenig fachkundig sind. Dort werden einem Lösungsvorschläge geboten, an die man sich halten kann oder auch nicht. Bei einer Familientherapie wird nach einer Störung des sozialen Umfeldes der Familie gesucht und versucht, diese einzudämmen oder zu beheben. Eine Mediation hilft hingegen dabei, selbstständig und in Eigenverantwortung, eine Lösung für die Probleme zu finden und so einen Konsens zu erreichen, bei dem niemand zurückstecken muss und keiner als Verlierer dasteht.

7. Erst einmal zum Anwalt, dann wird sich alles regeln
Viele Trennungseltern gehen bei Sorgerechts- oder Umgangsfragen gerne und am liebsten sofort zum Anwalt, in der Hoffnung, dass sich das Ganze so am schnellsten und sichersten klären lässt. Ich maße mir an zu behaupten, dass sie keine bösen Intentionen damit verfolgen. Bedacht werden muss hier jedoch Folgendes: Anwälte verfassen ihre Schreiben in einer Art und Weise, die andere immer dazu bringen wird, auf die Barrikaden zu gehen. Auf ein solches Schreiben geantwortet, wird grundsätzlich nur über den eigenen Anwalt. Es dauert meist nicht lange und man befindet sich im Rechtsstreit. Der bessere Weg wäre es, bevor man einen Anwalt aufsucht, zu einem Mediator oder einer anderen unabhängigen Beratungsstelle zu gehen.

8. Ich allein weiß, was gut für mein Kind ist
Wenn in der Beziehung noch das Meiste gemeinsam besprochen und entschieden wurde, sind nach der Trennung meist beide (Trennungs-)Partner der Ansicht, nur ihre eigene, persönliche Ansicht sei die richtige. Woher das kommt und warum das so ist, kann ich nicht erklären. Fakt ist allerdings, dass das blödsinnig ist. Kinder kommen auch mit sehr unterschiedlichen Regeln und Gegebenheiten in den beiden verschiedenen Haushalten der beiden Elternteile sehr gut klar. Das sieht man nicht nur bei Trennungseltern, sondern z.B. auch bei Oma und Opa. Dort herrschen meist ganz andere Regeln als im eigenen Elternhaus.

9. Familie und Freunde sind unparteiisch und helfen mir
Nach den Trennungen gehen die Eltern natürlich zu Familie und Freunden, um sich dort Rat einzuholen. Das ist auch eigentlich nicht falsch. Bedenken muss man aber, dass diese immer auch ihre eigenen Gefühle und Präferenzen mit einbringen werden. Meine Ex-Schwiegermutter hatte z.B. von Anfang an eine Abneigung gegen mich. Das hat sie auch in der "Hilfe" für meine Ex-Frau sehr deutlich mit eingebracht. Meist ist es ähnlich wie bei "Die Hexe und der Zauberer". Anfangs sind alle hilfsbereit und geben gute Ratschläge. Oft entwickeln sie aber, ähnlich den von Merlin verzauberten Putzutensilien, ein eher suboptimales Eigenleben.

10. Mein Kind, mein Leben und meine Entscheidung
Der größte Irrtum ist wohl die Annahme, dass man den Ex-Partner aus seinem Leben streichen kann, wenn man gemeinsame Kinder hat. Jede Entscheidung, die in Verbindung mit dem Kind getroffen wird, ist eben nicht nur "mein Leben". Kein Kind der Welt gehört irgendjemandem. Es sind immer die gemeinsamen Kinder der Eltern. Egal, ob die Eltern getrennt sind oder nicht. 


1 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Anmerkung zu 5. Man sollte nicht den Fehler machen Pauschal- und Standardlösung zu verwechseln.
Wenn eine Kantine ein Standardmenu anbietet ist es das "normale" Menu, von dem man aber abweichen kann, weil man Laktoseintolerant ist, oder lieber das Deluxe Menu möchte. Die Standardlösung ist "Richtschnur dessen, was für normal gehalten wird." das, was genommen wird, wenn es keine Widersprüche aus einer individuellen Befindlichkeit heraus gibt.
Wenn die Kantine ein Pauschalmenu hat, dann heisst es Friss oder stirb, weil das Menu alternativlos ist.
Niemand will das Wechselmodell als Pauschallösung haben, denn natürlich gibt es Mütter und Väter bei denen es definitv nicht dem Kindeswohl entspricht, wenn das Kind bei ihnen lebt.
Aber gegen einen Standard der Wechselmodell heisst gibt es überhaupt keinen Grund, denn das heisst nichts anderes: Wenn Eltern sich trennen wird es erstmal das Wechselmodell genommen. Wenn es Gründe für einen Widerspruch gibt, kann der vorgetragen werden und wenn das Gericht dem folgt kann anders entschieden werden.
Der Vorteil einer Standardlösung ist, dass das Gericht nicht jeden der 200.000 Trennungsfälle einzeln betrachten muss, um zu entscheiden, was gut ist, sondern nur die Fälle, wo es widerspruch gibt. Und jeder der sich dafür entscheidet mit einem anderen Menschen ein Kind zu bekommen (Und in letzter Konsequenz ist dies ein Hoheitsbereich der Frauen) weiss, was passiert wenn er oder sie sich einmal trennen sollte. Dann heisst es, von Vornherein vielleicht mal genau zu schauen, mit man sich als zweite erwachsene Bezugsperson für seinen Nachwuchs aussucht. Die Momentane regelung führt leider vermehrt dazu, dass Männer sich weigern sich in die Verantwortung einer Beziehung oder gar Elternschaft zu begeben.